In unserer Reihe Filme die fehlen stellen wir regelmäßig Pitches für Geschichten vor, die es in der deutschen Filmlandschaft so nicht gibt.
Mein Leben als Humorist folgt als Mockumentary Anno Fürsich auf einer Tour durch Deutschland. Er ist als Missionar unterwegs und möchte die Deutschen nicht zum Lachen bringen, sondern Ihnen das Lachen selbst beibringen.
Mit der Pseudowissenschaft eines NLP Practitioners und der rhetorischen Kompetenz eines Staubsauger-Hausierers ausgestattet zieht Anno als selbterklärter Selbsthilfe-Coach landauf, landab und predigt Atemtechnik, Achtsamkeit, und mentale Grundeinstellung, womit seine Seminarteilnehmer das Lachen in ihrem Leben manifestieren sollen. Wer das wie beherrscht, so seine Auffassung, dem wird das was von ganz von selbst begegnen und Sinn für Humor, ausgelassenes Scherzen, zugespitzte Komik und feinster Witz werden sich ein Stelldichein geben.
Allein, in den Interview-Passagen, in denen wir nur Annos Repliken erleben, wandelt sich die Mission zum Geständnis und Fürsich beichtet: Es gibt in Deutschland einfach nichts zu lachen. Als Zuschauer erwarten wir jetzt die Entlarvung des Scharlatans, doch während die Stimme von Anno Fürsich aus dem Off erzählend zwischen Selbstzweifeln und Hoffnung auf Erlösung schwankt, versteigt sich Mein Leben als Humorist in eine schwarz-weiße Leni Riefenstahl Ästhetik und gerät beinahe zur Architektur-Studie.
In Bildern, die den abgestandenen Muff der Räumlichkeiten von der Leinwand zu verströmen scheinen, fängt die Kamera dieses Kuriosum der deutschen Kulturlandschaft erdrückend ein: die Mehrzweckhalle. Wir erleben die gähnende Leere vor den Auftritten Fürsichs, winden uns im Kinosessel beim Blick auf unbequemlich anmutenden Stuhlreihen, und verspüren die Kälte, die von gegossenen Betonwänden ausgeht. Einfache Bilder ohne Tiefenschärfe von Staubflocken, getragen nur von volumetrischem Licht und in stagniertem Sillstand schwebend, verdeutlichen diesen Kosmos, der von Beethoven bis Scooter zwar jeder Kunst und Kleinkunst eine Bühne bietet, aber einen Raum absteckt, in dem sich letztlich nur das Mittelmaß behäbig ausstrecken und entfalten kann.
Wie sehr aus der Zeit gefallen kann man sein, fragen wir uns ob dieses Porträts von Anno Fürsich, jedoch müssen wir die Frage auf eine ganze Nation ausweiten. In den vielleicht besten Momenten von Mein Leben als Humorist ist sich Prediger Anno durchaus bewusst, welches Publikum er lediglich erreicht, erreichen kann: Die abgehängte Bevölkerung eines digitalen Entwicklungslandes, welcher der Zugang zu Online-Selbsthilfe-Inhalten, humoristischer oder sonstiger Art, etwa in der Form von lustigen Katzenvideos, ausländischen Streaming-Angeboten sowie den Mediatheken der eigenen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch den fehlenden oder gar fehlgeschlagenen Breitband- und Mobilfunk-Ausbau verwehrt bleibt.
„Wie der Witz mancher Menschen nicht mit der Gelegenheit gleichen Schritt hält, so daß die Gelegenheit schon durch die Türe hindurch ist, während der Witz noch auf der Treppe steht.“
Mit wehmütiger Klarheit spricht Anno Fürsich über die Unzulänglichkeit des eigenen Plätscherns, das niemals die historische Niedrigwassermarke auslöschen kann, welche unterirdische deutsche Komödien der 90er Jahre wie Sinnlos im Weltraum, Manta, Manta oder Feuer, Eis & Dosenbier für immer in die Filmgeschichte eingekerbt haben. Er bleibt mit seinem Bildungsauftrag, die Deutschen zu humoristischen Freidenkern zu befähigen, zum Scheitern verurteilt. Der Deutsche Humor (mit Majuskel), ein Treppenwitz der Geschichte; Mein Leben als Humorist schließt mit einem Zitat von Friedrich Nietzsche, welches den geistigen Horizont des Sujets Anno Fürsich dann doch übersteigt: „Wie der Witz mancher Menschen nicht mit der Gelegenheit gleichen Schritt hält, so daß die Gelegenheit schon durch die Türe hindurch ist, während der Witz noch auf der Treppe steht.“ Mit anderen Worten, die Gelegenheit für Großes war da, allein die Pointe kommt zu spät. Der Film ist zum Liebling der Feuilleton-Schreiber und absoluten Kassenflopp verdammt, denn in diesem Spiegel will sich kein Publikum erkennen.