Im Frühjahr 1987, ich war gerade 8 Jahre alt, fuhr ich zusammen mit meinem Freund Poldi zum Goetheplatz in München, weil wir uns Spaceballs im Kino ansehen wollten. Damals ging das. Einer unserer Freunde hatte den Film bereits gesehen und konnte nicht aufhören davon zu reden.
Allerdings war Spaceballs in Deutschland erst ab 12 Jahren freigegeben.
Da wir damals noch keinen gefälschten Ausweis besaßen, ließ man uns natürlich nicht rein.
Dumm gelaufen! Sollte nicht das letzte mal gewesen sein, dass ich an der Kinokasse aufgrund meines Alters nicht reingelassen wurde.
Aber da wir schonmal da waren, kuckten wir, was es sonst noch gab.
Stand By Me – Das Geheimnis eines Sommers lief zur selben Zeit. Der war zum Glück, (warum auch immer), ab 6 Jahren frei gegeben. Also gingen wir rein – und kamen 90 Minuten später verwirrt, melancholisch, aber mit dem Gefühl, als wären wir mit dem Film ein Stück erwachsener geworden, wieder raus.
Uns beiden war klar, dass wir einen besonderen Film gesehen hatten – auch wenn wir das damals, mit 8 Jahren, so noch nicht wirklich deuten konnten. Warum der Film für mich und meinen Kumpel so bedeutend war und bis heute in unseren Köpfen blieb, wurde mir erst nach und nach, vielleicht sogar erst vor kurzem, so richtig klar.
Die Antwort: Wir fühlten uns zum ersten mal wirklich gesehen.
Im Gegensatz zu unseren Eltern und Lehrern hatte der Film etwas getan, dass wir so noch nicht erlebt hatten – er hatte seine jugendlichen Protagonisten und damit uns als Publikum ernst genommen. Die Kids im Film sprachen und benahmen sich, wie Kinder in unserem Alter: sie fluchten, rauchten und logen ihre Eltern an. Sie waren keine Abziehbilder und waren voller Widersprüche, nicht leicht zu greifen. Wie unsere Freunde. Wie wir auch.
Das tolle war, wir fühlten uns als Publikum direkt angesprochen und respektiert, weil uns zugetraut wurde, dass uns nicht alles erklärt werden musste, wir kein Happy End brauchten, um den Film zu mögen und dass wir anstelle von Floskeln, mit Fragen in unserem Kopf entlassen wurden. Wir hatten einen Film gesehen, der es sich traute uns auf Augenhöhe zu begegnen und uns nicht alles vorkauen mußte. Der Film (bzw der Regisseur Rob Reiner) war einen Dialog mit seinem Publikum eingegangen, der nach dem Film in unseren Köpfen weiterging.
Der Film war natürlich nicht allein für Kinder gemacht, die Altersfreigabe ab 6 Jahren war im Gegensatz zu Die Goonies (ein klarer Kinderfilm, der ab 12 Jahren freigegeben war) etwas verwunderlich, aber schien vielleicht genau deswegen, umso mehr zu uns zu sprechen.
Stand by Me blieb bis heute bei mir. Viel mehr als zB Die Goonies oder Spaceballs oder Die Unendliche Geschichte. Denn auch wenn ich diese Filme damals sehr mochte, ist die Erinnerung an diese Filme viel schöner, als die Filme selber.
Wieso ist das heute relevant?
Filme sollten zu uns sprechen – egal, ob sie als Popcorn-Kino oder Soziales Drama daherkommen. Egal was für ein Genre, sie sollten zumindest den Versuch wagen, uns zu erreichen. Im besten Fall einen Dialog mit dem Publikum eingehen – nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe. Leider fehlt mir genau das heute so sehr. Und ich glaube, ich bin nicht allein.
Mein Glaube: nehmt Euer Publikum wieder ernst!
Ein Witz, der erklärt werden muss, ist nicht witzig. Wenn jemand so mit uns redet, drehen wir uns ja auch angenervt weg.
Filme müssen nicht gemocht werden, Leute die unbedingt gemocht werden wollen, sind uns ja auch suspekt.
Filme sollen einfach nur ehrlich sein und nicht langweilen. Sich etwas trauen und nicht versuchen uns zu manipulieren und/oder zu belehren. Dann fühlen wir uns nämlich wie Kinder die von ihren Eltern belehrt werden – allerdings wissen wir heute, dass die Eltern nicht schlauer sind als wir. Und das macht es noch aufgesetzter.
Filme sind wie Träume. Zumindest waren sie das mal.
Träume sind nicht rational, sondern emotional, mit starken Bildern, und liefern niemals eine Erklärung. Träume wollen nicht gefallen. Vor allem die unangenehmen Träume bleiben am längsten bei uns. Aber helfen uns beim Wachsen.
So wie meine Erinnerung an Stand By Me aus dem Jahr 1987 immer bei mir bleiben wird.